Rock Classics Nr. 37 – Die Toten Hosen Sonderheft
06. Dezember 2022
SLAM Media Verlag
98 Seiten
In der 37. Ausgabe widmet sich das Magazin Rock Classics einer der einflussreichsten (Punk) Rock Bands der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 1982 erstiegen Die Toten Hosen wie Phönix aus der Asche der Düsseldorfer Fun Punk Band ZK. Seitdem sind die Hosen aus dem Kosmos der deutschen Rockmusik nicht mehr wegzudenken, und sie dürfen sich nun beim Rock Classics Magazin mit weiteren Rocklegenden wie Metallica, AC/DC, Black Sabbath oder The Doors einreihen.
Straight outta Ratinger Hof
Das Heft beginnt mit einem Blick tief in frühe Phase der Punkbewegung in Deutschland und in Düsseldorf im Speziellen. Auch Claus „Fabsi“ Fabian, der damals als Schlagzeuger ZK mitbegründete, kommt zu Wort. Es war eine wilde Zeit, als ZK (später Die Toten Hosen) oder auch Die Krupps in der Modestadt und darüber hinaus für Chaos sorgten. Ganz Deutschland war von der Neuen Deutschen Welle erfasst, als ebendiese Protagonisten auf Punk Rock und Dekonstruktion setzten. Noch als Schülerband nahmen Die Toten Hosen 1983 ihr erstes Album „Opel-Gang“ auf, und legten noch im folgenden Jahr mit „Unter falscher Flagge“ nach.
Vorwärts immer
Anhand dem dritten Album „Damenwahl“ von 1986 sowie dem 1987 veröffentlichten Coveralbum „Never mind the Hosen – Here’s Die Roten Rosen“ begleitet das Magazin den Werdegang der Band inmitten einer Zeit, die nach Veränderung roch. Die Toten Hosen wurden zur international agierenden Punk Band und spielten vor allem in den damaligen Sowjetrepubliken. Als einen der spannenden Höhepunkte gibt es im Magazin einen vierseitigen Bericht über den Auftritt beim litauischen Festival Lituanika.
Droogs in der Zeitenwende
Mit der von Kubricks Verfilmung des Burgess Romans „A Clockwork Orange“ inspirierten Album „Ein kleines bisschen Horrorschau“ bahnte sich eine neue Ära in der Geschichte der Toten Hosen an, welche ihren nächsten Höhepunkt im 1990 veröffentlichten Doppelalbum „125 Jahre Die Toten Hosen Auf dem Kreuzzug ins Glück“ fand. Die Toten Hosen waren nun zu Rockstars geworden, ohne dabei ihre Wurzeln aufzugeben. Der erste Teil der „Learning English“-Reihe war nach „Never mind…“ eine weitere Hommage an den Punk Rock, und mit „Kauf mich!“ (1993) entgegnete die Band dem Vorwurf des Ausverkaufs mit gekonntem Zynismus.
Unabhängig, unsterblich, unstoppbar
Nach einem vierseitigen Interview, in dem Campino Einblicke in sein Verhältnis zu den Ramones gewährt, folgen die Berichte über zwei Alben, die kaum gegensätzlicher sein könnten und doch gemeinsam den Geist der Toten Hosen prägen, wie wir sie bis heute können. Das religionskritische „Opium fürs Volk“ war 1996 das erste Album beim eigenen Label JKP (Jochens kleine Plattenfirma), und mit dem nachfolgenden Album „Unsterblich“ haben die Hosen 1999 die Sphären des Punk Rock zu weiten Teilen hinter sich gelassen. Selbstreflektiert und selbstbewusst ging die Band unbeirrt ihren eigenen Weg und veröffentliche mit „Unsterblich“ womöglich das wichtigste Album ihrer Karriere.
Das 21. Jahrhundert: weiterhin auf Kreuzzug
Mit eher knappen Worten werden die ersten drei Veröffentlichungen nach der Jahrtausendwende behandelt. Auch wenn hier einige unsterbliche Songs wie die Ballade ‚Nur zu Besuch‘ dabei waren, wussten „Auswärtsspiel“ (2002), „Zurück zum Glück“ (2004) und die Aufnahmen des Unplugged Konzerts im Wiener Burgtheater „Nur zu Besuch“ (2005) nicht nachhaltig zu überzeugen. Auch nach der bis dahin längsten Pause im Hause DTH ging es mit „In aller Stille“ im Jahr 2008 nur mäßig gut weiter.
The End, so far
Zum dreißigjährigen Bandjubiläum musste etwas Besonderes her – egal wie schwer das Jahrtausend für die Band begonnen hat. Mit einer großartigen Wohnzimmertournee und dem stärksten Album seit 13 Jahren stellten die Hosen im Jahr 2012 klar, dass sie noch lange nicht ans Abdanken denken. Campino gibt im Interview detaillierte Einblicke in die einzelnen Stücke und das Jubiläum. Nachdem „Ballast der Republik“ das wohl poppigste Album in der Bandhistorie war, folgte (bis jetzt, 06. Januar 2023) nur noch ein weiteres Studioalbum mit eigenen Texten. Das sehr schwermütige Album „Laune der Natur“ ist eher eine Randnotiz in der jüngeren Hosengeschichte und wurde vom 2020 erschienen Coveralbum „Learning English Lesson 3: Mersey Beat“ um Längen übertroffen. Übrigens habe ich mich zusammen mit meinem Silence Magazin-Kollegen Oimel genauer mit diesem Tribut an die Beatmusik befasst: LINK
Das Erbe der Hosen
Zum Abschluss kommt noch Aleksandar Spengler von Fortuna Düsseldorf zu Wort, der seit langer Zeit mit der Band befreundet ist. Des Weiteren wird auf das unfassbar reiche Erbe der Band aufmerksam gemacht, die natürlich noch lange nicht begraben wurde. Vinyl Collectibles, ausgefallener Merch, Bücher, Filme und eine Tributband zeugen von einer prägenden Geschichte, deren Ende noch nicht geschrieben wurde.
Rock Classics lässt die Lesenden in eine bewegte Geschichte eintauchen, die an vielen Stellen parallel mit der Geschichte des Punk Rock aber auch mit der Weltgeschichte gelesen werden kann. Kaum eine Band hat die deutsche Rockwelt so geprägt wie die Düsseldorfer, und das ist deutlich im Magazin erkennbar.
Auch Kritik muss sein: Die neun Autor*innen der einzelnen Beiträge sind zwar im Impressum aufgeführt, können allerdings nicht den Beiträgen zugeordnet werden. Außerdem zeigt ein Blick in den Backkatalog der bisherigen Rock Classics Ausgaben, dass in Sachen Genderdiversität noch sehr viel Luft nach oben ist. Mehr Bands mit nicht-männlicher Beteiligung in den Specials würde der Serie sicherlich gut tun. Trotzalledem ist hier ein sehr schönes Heft zusammengestellt worden.